Die Feiertage liegen hinter uns. Feiertage, die dieses Jahr wieder traditionell mit der Familie verbracht wurden, aber auch ganz anders waren. Denn zum ersten Mal fehlten beide – Mama und Papa von Neulich.
„Wie es wohl werden wird?“, habe ich mich vorher gefragt. „Werden wir alle Traditionen beibehalten? Wie wird es sich unterscheiden?“ Ein bisschen komisch war mir schon zumute.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Hermann Hesse
Doch wo Altbekanntes wegfällt, entsteht Raum für Neues. Und wie kann man die schmerzhaften Erinnerungen, die möglicherweise hinter den Traditionen darauf lauern, uns in einem unerwarteten Moment zu überfallen, schöner im Zaum halten, als damit, neue Traditionen zu schaffen?
So fanden wir uns also am 22.12. sehr früh am Bahnhof ein, um in einen Zug zu steigen, der uns zur „Fremden aus Florenz“ bringen sollte, die zum Glück gar nicht mehr so fremd, sondern uns sehr ans Herz gewachsen ist. Wir haben versucht, die vergangenen Monate in diese wenigen Stunden des Wiedersehens zu packen. Doch wie immer verging die Zeit viel zu schnell und ehe wir es uns versahen, hieß es auch schon wieder Abschied nehmen. Selbst die nächtliche Stadtrundfahrt bot nur Aufschub, konnte aber das Unausweichliche nicht verhindern.
Müde, aber voller schöner, neuer Erinnerungen ging es am nächsten Tag weiter zu Schwester von Neulich und das alljährliche Weihnachtsprogramm konnte beginnen.
Am Heiligen Abend wurde der Baum geschmückt, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel geschaut und zu Mittag Suppe gegessen. Und da war sie auf einmal da, die Erinnerung an Mamas Markklößchen und Papas obligatorischem Griff zur Maggiflasche.
Als die Dunkelheit eingesetzt hatte, forderte kein Opa die Enkelinnen zum Vorlesen der „Weihnachtsgeschichte für die Kleinsten“ auf, doch die beiden ließen sich die Tradition nicht nehmen. Und erstmals musste das Christkind seinen Abschied nicht durch ein Glockenklingeln am Handy kundtun, sondern durch das helle Läuten der Porzellanglocke, die auch Mama von Neulich – äh, ich meine natürlich das Christkind – früher immer benutzt hat.
Wenn ich innerlich vielleicht ein ganz kleines bisschen gehofft hatte, dass das Singen der Weihnachtslieder in diesem Jahr ausfallen würde, weil kein Papa von Neulich mit den selbst gestalteten Liederheften erwartungsvoll vor dem Baum stand, so wurde ich enttäuscht. Wobei… Enttäuscht war ich nicht. Vielmehr hätte ohne das gemeinsame Singen etwas gefehlt. Und in diesem Jahr sangen wir besonders inbrünstig – und schief… Papa von Neulich hat sicher begeistert zugeschaut.
Nach der Bescherung verlegte sich das Geschehen in die Küche. Sekt und Musik trugen das ihre dazu bei, dass sich neben dem Kochen eine lustige Party entwickelte, die gerne auch zu einer neuen Tradition werden darf.
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.
Dietrich Bonhoeffer
Als ich am Abend reich beschenkt, voll gegessen und zufrieden im Bett liege, kriechen dann doch noch einige Erinnerungen an vergangene Weihnachten hervor. Das gemeinsame Christbaumschmücken am 23. Das Warten mit Papa von Neulich im Flur, bis das Christkind läutete (praktiziert bis 2019 😉). Und die Umarmungen zu den Weihnachtswünschen. Manche Traditionen kann man durch neue ersetzen, andere alleine weiterführen, doch die, die nicht mehr unter uns sind, in den Arm zu nehmen, das kann nie ersetzt werden und wird für immer fehlen.
Doch ich bin dankbar. Für die Zeit, die gewesen ist. Für die tollen Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet haben und begleiten. Für das, was ist und das, was kommen wird. Und so schlafe ich glücklich ein. Neulich. Zu Weihnachten.
Liebe Frau Neulich,
ich kann das sehr gut nachvollziehen, bei uns war es ähnlich. Am heiligen Abend der Stress, erst bei meiner Mutter dann bei der Familie meines Mannes Weihnachten feiern. Das Singen nervt mich heute noch und fehlt mir nicht. Tja, es is halt nicht mehr so, als die Kinder noch klein waren und Mamma noch lebte.
Dennoch möchte ich Weihnachten nicht missen, irgendwie hat die Zeit etwas magisches und besinnlich liegt im Betrachten.
lg Provinzmadame
Liebe Provinzmadame, vielen Dank für deinen Kommentar.
Für mich war Weihnachten nie stressig, auch wenn es sich vielleicht so anhört, als hätten wir ein volles Programm abzuarbeiten. Aber in Wirklichkeit ist es für mich eine Aneinanderreihung schöner, kleiner Traditionen. Und dass ich Weihnachten nie mit Stress in Verbindung gebracht habe, lag wahrscheinlich daran, dass meine Mama immer alles fest im Griff hatte. Für sie war es früher sicherlich weniger entspannt. Aber als Kinder haben wir das nie gespürt. Doch irgendwann kommt alles einmal zu einem Ende. Nun schaffen wir eben neue Traditionen und blicken mit Freude und Dankbarkeit auf die alten zurück.
Viele Grüße
Frau Neulich